Lukas läutet mit dem Text langsam aber stetig die Zuspitzung der Geschichte Jesu ein. Die Stimmung ist aufgeladen, die Menschen voller Euphorie und Hoffnung. Und die scharfen Worte der Pharisäer deuten einen Showdown an: In Jerusalem werden sich in den kommenden Tagen zwei gegensätzliche Systeme gegenüber stehen und duellieren. In der Regel wird nur eines überleben!
– Die Luft brennt. Die Erwartungen sind hoch. Die Mission Jesu steht auf „Messers Schneide“.
Und tatsächlich: Jesus, der bisher immer zu Fuß unterwegs war, zieht nun reitend in die Königsstadt ein – als König! Jesus selbst weicht also kein „µ“ von seinem eigenen Anspruch zurück. Und doch schwingt in dieser Szene immer auch etwas Lächerlichkeit mit – auf einem Eselsfohlen!
Anders als bei Papst Franziskus, dem mit seinem untermotorisierten FIAT eine klare symbolische Aussage gelingt, bleibt Lukas’ Metapher störrisch und schon die Kirchenväter bissen sich an dem mysteriösen Esel die Zähne aus: Origines deutete das Reittier als menschliches Wesen: Und seine Loslösung verweise auf die Befreiung des Menschen. Für Chrysostomos wiederum steht der Esel für das Volk der Heiden. Naja. Interessanter dagegen Calvins Interpretation, die die Ambivalenz des Geschehens unterstreichen will: Der Einzug auf dem Reittier ist zwar durchaus eine feierliche Handlung – doch will sie gleichzeitig zeigen, welcher Art Jesu Reich sei. Die ganze Szenerie wirkt tatsächlich lächerlich und beschämend. Und doch macht sie klar, dass das Reich Jesu mit keinem irdischen Reich vergleichbar sei. In den Kar-Tagen werden wir ja noch krasser erleben, dass gerade der Weg zur tiefsten Erniedrigung das paradoxe Königtum Jesu enthüllen wird.
Und damit sind wir genau bei dem Problem angekommen, dass sich die christliche Glaubensbotschaft gegenwärtig kaum vermitteln lässt. Glaubensverkündigung war und ist bis in unsere heutige Zeit mit Macht und Machtmissbrauch verbunden. Jahrhundertelang wurde dieser Druck vermutlich nicht mal als menschengemacht erlebt. Die Moderne hat dem Menschen diese Illusion geraubt. Jetzt hebt sich langsam ein Nebel. Und es wird sichtbar, dass es vernünftige und nachvollziehbare Gründe braucht, warum es Sinn machen soll, an einen König auf einem Esel zu glauben! Die guten Argumente sind unter dem Gewicht autoritärer Macht verkümmert.
Aber, so könnte manch einer einwenden, selbst wenn die Kirche heute immer weniger eine Autorität ist, so bleiben doch zum Glück Gottes machtvolle Taten und Wunder! Ist das so? Lässt sich an diesen Gott wirklich nur glauben, wenn er machtvoll auftritt? Oder muss ich mich mit einem Looser-Gott zufrieden geben?
Ich kann und will beides nicht gelten lassen! Denn Lukas bringt es in seiner Zuspitzung auf den Punkt: Im Showdown von Jerusalem zeigt sich die Ernsthaftigkeit und Radikalität Gottes, auf Macht zu verzichten, um den Menschen groß werden zu lassen – was man auch mit uneingeschränkter oder unbedingte Liebe beschreiben könnte. Jesus hat diese Liebe gelebt und in seiner bedingungslosen Zuwendung haben sich unterschiedlichste Menschen aufgerichtet gefühlt – sie haben sich als heil erfahren. Dass jemand so etwas so radikal durchzieht, ist nicht nur wundervoll, sondern selbst schon ein Wunder. Vor allem, weil er für sein Anliegen sogar in letzter Konsequenz – trotz angedrohter Ermordung – gerade steht. Ich finde, es ist durchaus nachvollziehbar, so einem beeindruckenden Menschen gedanklich und tätig zu folgen! (Da gibt es noch viele andere Beispiele in der Geschichte).
Im Showdown von Jerusalem kommt es zum Duell von Liebe und Macht. Die Macht gewinnt. Aber: Die Liebe auch! Denn sie ist nicht abgewichen von ihren Idealen. Sie hat sich und alle Menschen, die diese Liebe bereits erlebten, nicht aufgegeben. Liebe löst die Ambivalenz nicht auf. Im Gegenteil: Sie würde sich ja sonst an die Macht verlieren – und untergehen! Der Glaube an die Auferweckung Jesu ist die Hoffnung, dass diese Liebe nicht nur als festes Versprechen gilt, sondern über alle Begrenzungen hinweg – selbst Folter und Tod – Gültigkeit behält. Ostern ist deshalb das Fest der Endgültihkeit der Liebe. In diesem Glauben macht es Sinn, an der Liebe festzuhalten. Ein guter Grund, diesem König zuzujubeln.
Jesus zieht als sehr ambivalenter König in Jerusalem ein. Er macht damit deutlich, dass sein Reich nicht auf Macht sondern auf Liebe basiert. Für die einen ist das lächerlich, für die anderen aber, die sich nicht unter die Macht stellen wollen, sehr ermutigend – und erlösend. https://youtu.be/VQCLLLvlHlA